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Not – OP

… und plötzlich sehe ich ein Team von Notärzten herein kommen. Sie knien sich um mich herum und packen irgendwelche medizinischen Gerätschaften aus. Da ich meinen Kopf nicht bewegen kann nehme ich deren Bewegungen nur schemenhaft wahr. „Junge Frau gehen sie jetzt, wir versuchen ihn zu retten, aber es ist wirklich besser wenn sie gehen. Wir wissen nicht ob er es schafft“, höre ich die Ärzte sprechen. Ich bewege meine Augen nach oben und erblicke meine Frau wie sie da steht mit Tränen in den Augen und unserem Sohn auf dem Arm.“

Ich bewege den Zeigefinger meiner linken Hand, möchte ihr mitteilen dass sie bitte gehen soll. Dann formen meine Lippen die Worte: „Ich liebe Dich“, bevor ich ihr noch einen Kuss zuwerfe. Sie weint noch schlimmer, zittert am gesamten Körper und ihre Angst mich zu verlieren, ist ihr buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Ihre größte Sorge der letzten Jahre, mich eines Tages aufgrund einer Überdosis zu verlieren, scheint nun alptraumhafte Realität zu werden.

Ich breche ebenfalls in Tränen aus und sehe nur noch verschwommen wie sie mir zu winkt und dann mit unserem Sohn aus dem Büro verschwindet. Mein Kopf sagt mir dass ich die Beiden nun zum letzten Mal gesehen habe. Jäh spüre ich wie mir mein T-Shirt am Rücken mit einer Schere aufgeschnitten wird. Der Rücken fühlt sich taub an, ähnlich einer örtlichen Betäubung.

„Okay, ich beginne zu schneiden, ganz langsam“, sagt einer der Ärzte und ich spüre Bewegungen auf meinem Rücken. Ich ahne dass sie mir gerade mit einem Skalpell in die Haut schneiden, jedoch vernehme ich keinen Schmerz sondern nur ein unangenehmes Drücken im Oberkörper. Dann scheinen die Hände der Ärzte irgendetwas im Inneren meines Rückens zu berühren und ich bilde mir ein dass es mein Herz ist.

„So hier legen wir den ersten Schlauch. Wir müssen vorsichtig sein, er verkraftet nicht mehr viel, sonst war es das.“ Mir wird schlagartig übel, am liebsten würde ich mich übergeben.

Ich fühle mich so unwirklich, all dass hier wirkt so fern und ich habe Angst, Angst wie man sie nicht im geringsten in Worte fassen kann. Es ist der Kampf mit dem Tod, welchen ich mir gerade einbilde zu bestreiten.

„Den nächsten Schlauch bitte“, sagt wieder einer der Ärzte und wieder spüre ich dessen Hände in mir. Die führen eine Notoperation an meinem Herzen durch, soviel steht fest. Ich versuche bewusst ruhig zu atmen um die OP nicht durch eine falsche Bewegung zu gefährden. Obwohl ich in den letzten Jahren öfters den Wunsch hatte einfach umzufallen und zu sterben, so liegt es mir nun umso ferner den Tod zu erleben. Es fühlt sich an als befände ich mich gerade auf dem Scheitelpunkt zwischen Leben und Tod. Ich sitze auf einer Wippe, auf der einen Seite ich mit meinem Leben, auf der anderen Seite der dunkle, stille Tod. Niemals hätte ich gedacht dass sich sterben so schrecklich anfühlt, eben nicht die schnelle Erlösung wie man sie eventuell gern hätte.

„Hallo? Hallo hören Sie mich?“ Mein Zeigefinger der linken Hand streckt sich nach oben, als Zeichen dafür dass ich zuhöre.

„Sie dürfen nicht einschlafen, wir haben es gleich geschafft. Wir haben nun den letzten chirurgischen Eingriff vor uns, von diesem hängt ihr Überleben ab. Bitte bewegen Sie sich nicht und bleiben sie munter.“ Wieder gebe ich mit meinem Zeigefinger zu verstehen, verstanden zu haben. Verdammt ich will nicht sterben, ich möchte überleben, ich will mein Leben ändern, bitte lieber Gott lass mich nicht sterben, ich möchte zu meiner Frau und meinem Sohn, ich will sie umarmen und ihnen sagen dass alles gut wird.

Bitte, bitte um Himmels Willen, ich habe Angst, lass mich bitte nicht sterben…

„Das war es, wir haben es geschafft, er hat noch mal Glück gehabt“, sind die letzten Worte die ich höre bevor ich die Augen schließe um in den Schlaf zu fallen…