Alptraum-Reise in die Zukunft und zurück…
Die folgenden Seiten schildern das bizarrste und schrecklichste was ich in all den Jahren meiner Drogensucht je durchlebt habe. Egal wie unglaublich sich die nächsten Seiten anhören werden, jedes Wort davon ist wahr, denn all diese Erlebnisse sowie psychotischen Zustände waren der Grund mich endlich für eine stationäre Langzeit – Therapie zu entscheiden…
15.04.2009
Nun liege ich bereits seit einer Woche im Krankenhaus, unter ständiger Beobachtung meiner Blutzuckerwerte und außerdem werden an mir alle möglichen und lange überfälligen Untersuchungen unterzogen. Nach den noch vor einigen Tagen kritischen und alarmierenden Werten in Blut und Urin die mich fast ins Koma hätten fallen lassen, erholt sich mein Körper langsam wieder von den langen Strapazen meines Drogenkonsums der letzten Monate und Wochen, sodass auch die Werte wieder normale Ausmaße annehmen.
Das Wichtigste für mich jedoch ist – Mein Kopf wird frei und ich habe wieder klare Gedanken sowie Kraft zum denken, handeln und fühlen.
Das sah vor einigen Tagen noch ganz anders aus. Gehen wir also knapp 10 Tage zurück in die Vergangenheit…
10 Tage zuvor…
Inzwischen bin ich seit gut fünf oder sechs Tagen wach und ungefähr 20 – 25 Gramm konsumiertes Speed und Speedpaste sorgen dafür dass ich mich auf den Beinen halten kann. Ich nehme also zu mindestens körperlich am Leben teil, auch wenn mein Körper bis auf die Knochen abgemagert und völlig ausgetrocknet ist.
Im Geiste bin ich unterdessen meilenweit vom eigentlichen Geschehen entfernt. Das Einzige was ich voll konzentriert erledige und organisiere ist der halbstündige Konsum meiner Dosis Speedpaste, sowie der Griff zum Telefon um Jemanden zu kontaktieren wo ich für Nachschub sorgen kann. Geld dafür habe ich schon lange nicht mehr, dafür jede Menge Schulden bei meinen Zulieferern.
Wenn ich nicht gerade auf dem Weg bin um etwas zu besorgen, egal ob Speed, Zigaretten oder Alkohol, dann befinde ich mich in meinem Büro, egal ob Tag oder Nacht, eigentlich stets und ständig. Tagsüber gehe ich nicht an das Geschäftstelefon und halte die Ladentüre verschlossen um den Kontakt zu momentan unerwünschten Menschen zu meiden, hauptsächlich also meine Kunden oder eventuell herein kommende Neukunden.
Wird das ständige klingeln des Telefons doch zu nervig, beauftrage ich meine Praktikantin die Anrufer abzuwimmeln. Offiziell bin ich dann gerade unterwegs und unabkömmlich…
…und in der Tat bin ich auch unterwegs… ich bin unterwegs in den Abgründen meiner Seele, wandere durch die tiefsten Punkte meines Unterbewusstseins, befasse mich mit neuen alten Erkenntnissen über meine momentane Lage und Verfassung, zwischendrin geht’s auf die Toilette wo ich mir ein weiteres viertel oder halbes Gramm Paste mit einmal in die Nase zieh, nur um den Faden meiner wirren Gedanken nicht zu verlieren…
…denn diese sind seit Tagen das Einzige was ich habe und auch meine einzige Beschäftigung.
Und dann haben wir wieder Abend, ich bin alleine im Büro, nehme mir vor heute Nacht schlafen zu gehen so wie ich es die letzte Nacht und auch die davor schon geplant hatte. Vorher muss ich natürlich noch etwas ziehen, damit ich es schaffe mit dem Fahrrad zur Tankstelle zur fahren um mir dort genügend Bier bzw. Radler zu kaufen, damit ich mich damit runterholen kann, genauso wie schon die letzten zwei Nächte.
Eine Sache heute Nacht ist allerdings anders, es sind die zwei oder drei Typen im hinteren Teil meines Büros, mit den denen ich mich fast um den Verstand diskutiere während ich versuche drei Stichpunkte auf meinen Einkaufszettel zu kritzeln. Es dauert fast zwei Stunden bis ich folgende Punkte auf meinem Tankstellen-Zettel stehen habe: 3 x Radler, 1 x Kaugummis, Muffins aufwärmen lassen (diese hat der Pizzaservice gefroren geliefert, warum auch immer).
Ich weiß nicht mehr worüber ich mit den Typen, welche sich da bei mir befanden, im Detail diskutiert habe, aber hauptsächlich passte denen mein Einkaufszettel nicht und irgendwie glaube ich wollten die verhindern dass ich mich überhaupt in Richtung Tankstelle begebe.
Jedenfalls bin ich dann doch endlich fahrbereit, sattle mein Fahrrad mit Lenker- und Satteltasche und begebe mich in die Küche um noch ein Gefäß für die Muffins zu holen, welche ich mir an der Tankstelle gern in deren Mikrowelle aufwärmen lassen möchte. Beim öffnen des Schrankes fällt mir aus diesem irgendein Glas hinunter auf den Boden und zersplittert natürlich in alle Einzelteile. Ich fluche wie wild, hole Handfeger und Kehrschaufel und beginne den Boden zu kehren.
Mit dem Rücken befinde ich mich zum Küchenausgang, somit habe ich also gerade keinen Blick in den anderen Raum und zu den ANDEREN.
Plötzlich fange ich an zu brüllen: “Ey Leute, die Scheiß Unordnung hier geht mir echt auf den Sack. Ich kehre jetzt hier die Glassplitter auf und wenn ich nachher zur Tankstelle fahre, schnappt sich einer von Euch den Staubsauger und saugt das beschissene Büro durch. Es ist mir scheißegal wer das tut, Hauptsache es tut einer. Also wer von Euch saugt nachher hier durch???“
… ich erhalte keine Antwort, ich werde wütend, kehre die letzten Glasteile auf meine Schaufel.
Mir reicht es: “Verdammte Scheiße, wer von Euch saugt dann in dem beschissenen Laden?“
… keine Antwort…
Ich stehe langsam auf, schneller geht es nicht mein Knie ist entzündet und schmerzt höllisch, leere die Kehrschaufel im Mühleimer neben mir.
‚Warum antwortet keiner? Irgendwie ist es mit einem Male so still!’ Plötzlich bekomme ich Angst, ich getraue mir kaum mich umzudrehen. Ich glaube das keiner hinter mir in dem Raum ist und bestimmt war auch die ganze Zeit niemand weiter hier als ich, schon die ganzen letzten Stunden.
Ich drehe mich um, es ist zum wahnsinnig werden, da ist einfach keiner … niemand, lediglich mein Fahrrad steht angelehnt am Schreibtisch. Verdammt noch mal, bin ich total bescheuert, wie oft muss das eigentlich noch passieren, langsam habe ich echt keinen Bock mehr auf diese Hirnverarschung… Nichts wie weg hier, erstmal raus, ab zur Tankstelle und an die frische Luft, das ist hier einfach zu viel, ich muss mich verdrücken …